Wipperau-Kurier

Mühlenmuseum Gifhorn

„Ich wäre gern geblieben“

Am 15. März hat die diesjährige Saison im Mühlenmuseum Gifhorn begonnen. Gründer und Besitzer Horst Wrobel hatte sein Mühlenmuseum ursprünglich 1974 in Suhlendorf eröffnet.
Wie es zur Neugründung 1980 in Gifhorn kam, warum die alte Bockwindmühle in Suhlendorf „Auguste“ heißt und wie seine Leidenschaft für Mühlen seine Begeisterung für Russland weckte – das erzählt er im Interview mit dem Wipperau-Kurier.


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Mühlen aus aller Welt versammelt das einzigartige Internationale Mühlenmuseum in Gifhorn – auf einem parkähnlichen Freigelände von rund 100.000 Quadratmetern Größe .
Fotos: Oppermann/Mühlenmuseum


Wipperau-Kurier: Herr Wrobel, Sie haben 1974 Ihr erstes Mühlenmuseum in Suhlendorf eröffnet. Weshalb entschieden Sie sich damals für diesen
Standort?

Als ich 1973 auf der Suche nach einem geeigneten Ort war, an dem ich das Mühlenmuseum aufbauen konnte, kam ich zufällig mit meinem Bruder an Suhlendorf vorbei. Wir sahen von Weitem die „Waldmühle“ auf dem Mühlenberg und legten dort einen Zwischenstopp ein, um etwas zu essen. Bei der Gelegenheit kam ich mit dem damaligen Besitzer Herbert Schulze ins Gespräch und berichtete ihm von meinem Vorhaben, ein Mühlenmuseum zu gründen. Er war von der Idee spontan begeistert – und als damaliger Bürgermeister von Suhlendorf unternahm er sofort alle
notwendigen Schritte, um mir das Grundstück am Mühlenberg gegenüber der „Waldmühle“ zur Verfügung zu stellen, sodass ich das Museum hier errichten und 1974 eröffnen konnte.

Sie sind der bekannteste Mühlenexperte in Deutschland. Woher stammt Ihre Liebe zu dieser alten Windkrafttechnik?
Ich habe 1965 durch Zufall in Abbenrode am Elm die damals noch in Betrieb befindliche Bockwindmühle entdeckt und den alten Müller Erich Röhl bei seiner Arbeit kennengelernt. Die Begegnung mit dieser Mühle und dem Müller Röhl hat mich so fasziniert, dass ich umgehend damit begonnen habe,
die Mühle im Maßstab 1:25 als naturgetreues Modell nachzubauen. Innerhalb von fünf Jahren habe ich dann insgesamt 25 solcher Modelle von Mühlen aus verschiedenen Ländern der Welt gebaut, und die Begeisterungfür die älteste Kraftmaschine der Menschheit hat mich seither nicht mehr losgelassen.

Sie haben in Suhlendorf auf dem Museumsgelände eine alte Bockwindmühle errichten lassen. Woher stammt diese Mühle, weshalb heißt sie „Auguste“
und was verbinden Sie noch heute mit diesem ehemaligen Großbauprojekt?

Diese Mühle stammte aus Alvesse bei Braunschweig. Ich hatte sie damals als totale Ruine erworben, um sie zu restaurieren und in unserem Museum der Nachwelt zu erhalten. Ich habe sie dann nach meiner Großmutter Auguste benannt, da es früher üblich war, dass Windmühlen Namen bekamen, meist weibliche Vornamen. Die Bockwindmühle „Auguste“ war meine erste „echte große“ Mühle. Später sollten dann ja noch Weitere folgen, die ich aber in Suhlendorf nicht mehr aufbauen konnte, denn ich hatte mich ja entschlossen, Suhlendorf zu verlassen.

Was war aus Ihrer Sicht damals in Suhlendorf schiefgelaufen, sodass Sie den Ort verließen und in Gifhorn noch einmal neu anfingen?
Ich wäre durchaus gerne in Suhlendorf geblieben, wenn man mir mit den zunächst in Aussicht gestellten Erweiterungsmöglichkeiten für unser Museum auf angrenzenden Grundstücken keine Probleme bereitet hätte. Zwei weitere Originalmühlen hatte ich ja bereits erworben: eine Holländermühle aus
Schleswig-Holstein und eine Wassermühle aus Tirol, die heute in Gifhorn im Mühlenmuseum stehen. Aber sowohl beim Bau des Parkplatzes für Pkw und Busse in der Nähe unseres damaligen Museumseingangs als auch bei der Erweiterung des eigentlichen Freigeländes für die Mühlen hat man mir seitens der damaligen Gemeindeverwaltung beziehungsweise Politik Schwierigkeiten bereitet, sodass ich gar nicht anders konnte, als meine Sachen zu packen und mir einen neuen Standort für das Mühlenmuseum zu suchen, den ich dann in Gifhorn gefunden habe.

Welches ist Ihre ganz persönliche Lieblingsmühle und was sollten die Besucher des Internationalen Wind- und Wassermühlenmuseum in Gifhorn auf keinen Fall verpassen?
Das kann man nicht grundsätzlich sagen. Aber unsere ukrainische Windmühle „Natascha“ hat für mich eine ganz besondere Bedeutung, denn sie hat sehr viel ausgelöst. Mit dem Aufbau dieser damals noch sowjetischen Mühle zwischen 1986 und 1988 waren die ersten positiven Kontakte nach Osteuropa verbunden. Eine Städtepartnerschaft zwischen Gifhorn und Korsun-Schew tschenkiwskyj – aus dieser Stadt im Gebiet Tscherkassy stammt die Mühle – wurde ins Leben gerufen und wir haben im Laufe der Jahre viele humanitäre Hilfsgütertransporte in die Ukraine durchgeführt.

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Horst Wrobel mit einem seiner zahlreichen Mühlenmodelle.

Außerdem habe ich einen ganz besonderen Freund gewonnen, nämlich den serbisch-orthodoxen Bischof Lavrentije, der 1988 anstelle verhinderter
russisch-orthodoxer Bischöfe diese Mühle nach altem Brauch segnete und einweihte. Mit Bischof Lavrentije verbindet mich bis heute eine sehr tiefe
und einmalige Freundschaft. Weiterhin resultierte aus dem Bau dieser Mühle und dem Kontakt zu Bischof Lavrentije auch meine zunehmende Begeisterung für die Länder Osteuropas, allen voran Russland, und für die ganz besonderen Menschen, die dort leben. Aus dieser Begeisterung
erwuchsen weitere einzigartige Projekte, wie der Bau der russisch-orthodoxen Holzkirche des Heiligen Nikolaus von 1994 bis 1996 und der Bau des „Glocken-Palastes“ unter Schirmherrschaft von Michail Gorbat schow mit dem Einheitsdenkmal „Europäische Freiheitsglocke“. All dies hat mit Mühlen nichts zu tun, aber Auslöser war die Windmühle „Natascha“. Am 15. März beginnt unsere diesjährige Saison und ich freue mich wieder auf viele interessierte Besucher in unserem Internationalen Mühlenmuseum in Gifhorn.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte
Christian Wiechel-Kramüller.