Wipperau-Kurier

Samtgemeinde Rosche

„Ich wollte immer für die Feuerwehren da sein“


Henning Räthke ist der am längsten amtierende Gemeindebrandmeister der Samtgemeinde Rosche. 2022 erhielt er die höchste Auszeichnung des Deutschen Feuerwehrverbandes, das „Deutsche Feuerwehr-Ehrenkreuz in Gold“. Nun läuft sein letztes Amtsjahr. Im Interview spricht er über gesellschaftliche Verantwortung und die Zukunft der Freiwilligen Feuerwehren.

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Henning Räthke ist noch bis 2025 Gemeindebrandmeister, dann hat er das Amt 18 Jahre inne. Foto: fwk
Wipperau-Kurier: Herr Räthke, niemand war so lange Gemeindebrandmeister in der Samtgemeinde Rosche wie Sie. Wie fühlt es sich an, diese Position nach 18 Jahren abzugeben?
Henning Räthke: Dass ich so lange mache, hätte ich nie gedacht. Mein Vater war damals strikt dagegen. „Das machst Du nicht. Du ärgerst Dich nur.“ Dann habe ich es doch gemacht, und es war die richtige Entscheidung – auch wenn ich nicht leugnen möchte, dass es viel Arbeit ist. Nun bin ich noch bis 2025 gewählt, und noch einmal anzutreten macht wenig Sinn. Da die Altersgrenze in Niedersachsen bei 67 Jahren liegt, hätte ich nur noch zwei Dienstjahre. Die Neuwahl wird somit nächstes Jahr im Dezember stattfinden. Aber ich muss zugeben, aufhören ist ein großer Schritt für mich.

Was bleibt in Erinnerung an schwierigen und glücklichen Momenten?
Schwierig ist immer die Herausforderung, wenn nachts um 2 Uhr der Pieper geht und man keine Ahnung hat, was einen erwartet. Umso glücklicher ist man natürlich, wenn der Einsatz gut abgelaufen ist und alle heil nach Hause sind. Im Schnitt gibt es bei uns 200 Einsätze im Jahr. Manchmal ist nur eine Katze auf dem Baum, manchmal ist es aber auch ein Großbrand. Gut kann ich mich an den schwer löschbaren Großbrand eines Reetdachhauses in Hohenzethen im Jahr 2010 erinnern. Durch den aufkommenden Wind entfachte es permanent.
Einschneidend war auch die vermisste Person im Roscher Baggersee im letzten Jahr. Wir hatten ‧alles in Bewegung gesetzt, DLRG, Taucher, doch leider mussten wir den Einsatz ohne Erfolg abbrechen. Drei Tage später fanden die Polizeitaucher aus Braunschweig die Person in 9 Metern Tiefe. Auch blieb mir ein Verkehrsunfall bei Wellendorf vor einigen Jahren in Erinnerung. Wir hatten eine Person eine Stunde lang reanimiert und dadurch wieder ins Leben zurückgeholt. Im Rettungswagen ist sie dann doch verstorben. Die Kamerad*innen hatten alles gegeben – als sie lebte, war große Freude, und dann das … Das tut weh. Bei solchen Einsätzen nehmen wir die Notfall-Seelsorge in Anspruch. Wir können froh sein, dass die im Landkreis so gut funktioniert.

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Vorher war er sechs Jahre stellvertretender Gemeindebrandmeister und zehn Jahre Ortsbrandmeister der Feuerwehr Teyendorf-Göddenstedt.
Was hat Sie motiviert, Gemeindebrandmeister zu werden?
Das werden Sie mir jetzt nicht glauben. Bereits mit 19 äußerte ich einem Freund gegenüber den Wunsch, Gemeindebrandmeister zu werden. Wir löschten gerade in Zivil einen Brand mit einem Gartenschlauch, noch bevor die Feuerwehr überhaupt da war. Der Freund meinte daraufhin, dass ich spinnen würde und dass ich doch erst einmal Ortsbrandmeister werden müsse. Daraufhin sagte ich: „Ja, das mache ich auch. Aber ich werde Gemeindebrandmeister.“ Über diesen frühen Ausspruch ‧habe ich schon so manches Mal gelacht.
Als Ortsbrandmeister ‧habe ich dann gemerkt, dass die Moral in den Wehren und der Umgang mit der Verwaltung und der Politik ins Rudern gekommen war. Auch die Ausstattung war stark heruntergefahren. Das wollte ich verbessern und ich hatte klare Zielvorstellungen. Ein guter Ausbildungsstand unserer Einsatzkräfte, eine moderne Ausrüstung sowie die Mobilisierung der ‧Jugendfeuerwehren sind das A und O einer gut funktionierenden Samtgemeindefeuerwehr. Heute kann ich sagen, dass wir topmäßig ausgerüstet sind. In meiner Dienstzeit habe ich 26 Fahrzeuge übergeben.

Wie steht es Ihrer Meinung nach um die Zukunft der Freiwilligen Feuerwehren?
In unserer Samtgemeinde sind wir mit rund 560 Aktiven sehr gut aufgestellt. Für die Sicherstellung des Brandschutzes und der Hilfeleistung reicht das problemlos. Insgesamt haben wir eine leistungsfähige Feuerwehr bei uns, sowohl in unserer Samt‧gemeinde als auch im Landkreis. Die Feuerwehr von gestern gibt es nicht mehr. Ich bin froh, das sagen zu können. Den Leser*innen kann ich sagen: Sie können sich sicher fühlen.

Es besteht also keine Gefahr, dass durch mangelndes ehrenamtliches Engagement Pflichtfeuerwehren nötig werden?
Ich kann nicht in die Glaskugel schauen, aber derzeit lautet meine Antwort: Nein. Es wird passieren, dass einige Wehren nicht mehr die Mindeststärke halten können oder sich keine Wehrführung mehr finden lässt, weil keiner mehr bereit dazu ist. Diesen Fall haben wir ‧bereits mit der Feuerwehr in Groß Ellenberg erlebt, die nun zu einer gut funktionierenden „Löschgruppe“ umformiert und in die Suhlendorfer Feuerwehr integriert ist. Das heißt: Vermutlich wird es in den nächsten Jahren weniger Feuerwehren geben, aber aus zwei Gründen sehe ich hier trotzdem keine Gefahr. Erstens ist die Feuerwehr dafür bei uns in der ländlichen Region viel zu fest verankert und zweitens benötigen wir aufgrund der Fahrzeugtechnik gar nicht so viel Personal wie früher. Oft wird auch nach einer Berufsfeuerwehr gefragt. Bei größeren Kommunen lohnt sich dieser Gedanke vielleicht, aber bei uns, mit unseren 7100 Einwohner*innen, ist das unbezahlbar.

Wie steht es um die Vereinbarkeit von Beruf und Ehrenamt?
Die meisten Unternehmen, die wir in unserer Region haben, akzeptieren das und wissen, was wir leisten. Wenn aber Unternehmen kommen, die hier beispielsweise nur einen Zweitsitz haben, dann ist das denen meist völlig egal und sie fordern eine Verdienstausfallentschädigung. In die Kassen der Kommunen reißt das große Löcher. Im Moment schaffen wir das bei uns ohne, durch ein gutes Miteinander. Wir haben Betriebe im Umkreis, die sich intensiv für die Wehren engagieren und dafür vom niedersächsischen Innenministerium und Landesfeuerwehrverband als „Partner der Feuerwehr“ ausgezeichnet wurden.

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Schon als Jugendlicher engagierte sich Henning Räthke in der Feuerwehr. 1974 war er Gründungsmitglied der ‧Jugendfeuerwehr Teyendorf-Göddenstedt

Die Feuerwehr ist noch immer ziemlich männerdominiert. Ist das noch zeitgemäß?
In der Samtgemeinde sind wir bei einem Frauenanteil von 12 Prozent, das heißt, wir haben ungefähr 60 Frauen. Das ist in der Tat zu wenig, aber der Trend ist da: Der Anteil der Mädels in den Jugendfeuerwehren ist deutlich ‧höher. Ich bin ein großer Befürworter, dass Frauen in die Feuer- wehren eintreten. Wenn die Geschlechter gemischt sind, ist eine ganz andere Harmonie vorhanden. Klar, Frauen können nicht die körperliche Leistungsfähigkeit von Männern aufbringen, aber das müssen sie auch nicht. Die Einsatzbereiche sind vielfältig. Anders als noch vor 50 Jahren sind Frauen heute erfreulicherweise ein fester Bestandteil.

Was möchten Sie Ihren Nachfolger*innen mitgeben?
Neben der Pflege der Kameradschaft (von der Kinder- bis Seniorenfeuerwehr) sind der permanente Kontakt zur Verwaltung und den politischen Gremien sowie eine intensive Mitarbeit auf Kreisebene wichtig. Es gehört ‧eine laufende Präsenz dazu. Man muss ganz deutlich sagen, dass Feuerwehr mehr ist als ein Hobby. Mit 200 Tagen Feuerwehr im Jahr muss man schon rechnen. Man übernimmt Verantwortung für den Lebensraum und bekommt dafür viel Gutes und Anerkennung zurück. In den letzten Jahren wurde ich oft gefragt, ob ich nicht auch als Kreisbrandmeister kandidieren wolle. Ich habe es immer abgelehnt. Aus dem einfachen Grund, dass ich mich in meiner Samtgemeinde Rosche wohlfühle. Hier wollte ich meinen Dienst machen und etwas umsetzen.

Was möchten Sie den Freiwilligen Feuerwehren mit auf den Weg geben?
Entscheidend ist die Pflege der Kameradschaft. Haltet an gemeinsamen Ausbildungen und der Zugformation fest. Auch sollte der jährliche Gemeindefeuerwehrtag ein fester Bestandteil bleiben, da dadurch die Gemeinschaft gestärkt wird.

Wie werden Sie Ihre neu gewonnene Freizeit nutzen?
Ich weiß es noch nicht. Eins werde ich auf jeden Fall nicht machen: den Feuerwehr-Seniorenbeauftragten. (lacht) Ich werde mehr Zeit für Urlaub und musikalische Veranstaltungen haben – darauf freue ich mich. Natürlich werde ich meinen Dienst in der Feuerwehr Teyendorf-Göddenstedt fortsetzen. Ganz verabschieden werde ich mich also nicht.

Herr Räthke, herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte
Fenja Wiechel-Kramüller
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